Unter dem Motto „Väter in Europa - Gemeinsame Sorge für beide Eltern!“ setzte der Väteraufbruch für Kinder seine väterpolitische Kongressreihe in Karlsruhe fort. Mit 120 Teilnehmern aus Deutschland und Europa war der Kongress wiederum gut besucht. Thematischer Schwerpunkt war aus aktuellem Anlass die rechtliche Situation und die Perspektiven für das gemeinsame Sorgerecht nicht miteinander verheirateter Eltern in Deutschland und den europäischen Nachbarländern.
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 03.12.2009 im Fall Zaunegger müssen in Deutschland Väter, die mit der Mutter ihres gemeinsamen Kindes nicht verheiratet sind, einen Zugang zur gemeinsamen elterlichen Sorge erhalten, der unabhängig von der mütterlichen Zustimmung ist. Gegenwärtig wird in Deutschland jedes dritte Kind nicht ehelich geboren. Jedes dieser Kinder hat ein Grundrecht, von seinen beiden Eltern umsorgt zu werden.
In seinem Vortrag berichtete Horst Zaunegger persönlich über die einzelnen Stationen und diverse Fallstricke seiner erfolgreichen Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Anschließend erläuterte der Bundesvorsitzende des Väteraufbruch für Kinder e.V. die Position des Väteraufbruch zur gemeinsamen Sorgeverantwortung nicht miteinander verheirateter Eltern. Der Väteraufbruch für Kinder e.V. empfiehlt als Lösung die gemeinsame Sorge ab Vaterschaftsanerkennung, möglichst ab Geburt als Regelfall auch für alle nicht miteinander verheirateten Eltern. Darüber hinaus sieht der Verein zusätzlichen familienpolitischen Handlungsbedarf, um Väter stärker in die Familien einzubinden.
Es folgten Berichte von Vertretern europäischer Väterorganisationen zur aktuellen Situation in den angrenzenden europäischen Ländern: Oliver Hunziker, Schweiz (Präsident VEV), Kai Vogelpohl, Frankreich (FMCP), Dr. Nikolaus Pirhofer, Südtirol (MIT).
Vertiefend wurden die Situation aus Sicht von weiteren Experten beschrieben: Felix Schöbi vom Schweizer Bundesamt der Justiz gab einen Einblick in die laufende Sorgerechtsreform in der Schweiz. Die französische Rechtsanwältin Annie Heintzelmann berichtete aus ihrer Praxis über die Situation unverheirateter Väter in Frankreich. Der Kinder- und Familienpsychologe Jan Piet de Man referierte über die Reform in Belgien und die Erfahrungen danach. Eine wesentliche Rolle spielt in Belgien das Doppelresidenzmodell.
Insgesamt ist die europäische Situation bzgl. der gemeinsamen Sorge von nicht miteinander verheirateten Eltern sehr inhomogen: In Frankreich und Belgien gibt es bereits langjährige praktische Erfahrungen mit Regelungen, die weitgehend den Vorstellungen des Väteraufbruch für Kinder entsprechen. Die Referenten betonten, dass die Reformen die Lebenssituation der Kinder und ihrer Eltern verbessert haben. In Italien, wo die Reform der elterlichen Sorge relativ jung ist und eher verhalten ausfiel, besteht zusätzlicher Reformbedarf. In der Schweiz und in Österreich wird ebenso wie in Deutschland an einer Reform des Sorgerechts gearbeitet.
Rainer Sonnenberger vom Bundesvorstand des Vereins "Väteraufbruch für Kinder" stellte unter dem Motto Sorgekonflikte: Mehr Demokratie wagen! Das Konzept eines „Koop-Managers“ vor. Rechtlich positioniert zwischen Berater/Mediator und Familienrichter soll der Koop-Manager die Kooperationsunfähigkeit von Eltern kurzfristig überbrücken und langfristig wieder herstellen.
Der Kongress wurde abgerundet durch ein Podiumsgespräch mit Referenten und Politikern. Zu Gast waren Daniel Caspary (EVP/CDU) und Jörg Rupp (KV-Grüne). Außerdem nahmen Felix Schöbi, Piet de Man und Rainer Sonnenberger an der Diskussion teil.
Der 4. Väterkongress wird voraussichtlich am 07.05.2011 wiederum in Karlsruhe stattfinden.