Ca. 80 Gäste hatten sich in der Baden-Württembergischen Landesvertretung in Berlin eingefunden, um den Vorträgen zu lauschen und miteinander über die Rahmenbedingungen, Bedürfnisse und Rechte von Eltern und Kindern zu diskutieren. Zu den Anwesenden zählten Vertreter aus der Politik ebenso wie Vertreter von weiteren Verbänden und familialen Professionen.
Den Auftakt zur Veranstaltung bildeten die Grußworte des stellvertretenden Leiters der Landesvertretung Baden-Württemberg und der Gleichstellungsbeauftragte der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart, Frau Dr. Ursula Matschke.
Es folgte eine Bestandsaufnahme der Situation von Müttern und Vätern in Deutschland, präsentiert von Cornelia Spachtholz, Vorsitzende des Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM) und Martin Rosowski, Vorsitzender des Bundesforum Männer. Hierbei wurde deutlich, wie sehr sich das gesellschaftliche Bild von Müttern und Vätern in den letzten Jahrzehnten verändert und sich einer partnerschaftlichen, gleichverantwortlichen Aufgabenteilung in Beruf und Familie angenähert hat. Trotzdem gibt es für Mütter vor allem in der Berufswelt noch Verbesserungsbedarf, während dieser für Väter vor allem in der Teilhabe am Familienleben liegt. Sehr deutlich wurde dabei auch, dass an den politischen Rahmenbedingungen mit Nachdruck gearbeitet werden muss, um mit dem von vielen Eltern bereits vorgelebten gesellschaftlichen Wandel Schritt zu halten.
Wie dies umsetzbar ist, stellte im Anschluss Oliver Hunziker, Präsident des Verein für elterliche Verantwortung (VeV, Schweiz) vor. Er erläuterte, wie sich das Schweizer Familienrecht in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, angefangen mit dem gemeinsamen Sorgerecht bis hin zur bevorzugten Berücksichtigung der Doppelresidenz. Ein Kernelement dabei war die Vernetzung der verschiedenen Interessengruppen, die jenseits eines eher kontraproduktiven Geschlechterkampfes gemeinsam für ihre komplementären Ziele eintraten.
In der nachfolgenden Videobotschaft der schwedischen Kinderpsychologin und Wissenschaftlerin Malin Bergström, die umfangreiche Studien von kompletten Jahrgängen schwedischer Jugendlicher im Alter von 11 bis 15 Jahren über deren Wohlbefinden in unterschiedlichen Betreuungsarrangements erstellt hatte, wurden die Vorzüge der Doppelresidenz verdeutlicht. Weitere (Langzeit-)studien mit Fokus auf Kleinkinder sind geplant.
Francoise Hetto-Gaasch, ehemalige Luxemburgische Ministerin für Chancengleichheit, derzeit Abgeordnete der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und Initiatorin der Resolution 2079 (2015), erläuterte ihre Beweggründe, sich für die Belange von Vätern und vor allem Kindern einzusetzen und Reformen des Familienrechts auf europäischer Ebene zu fordern. Nicht nur in Deutschland hat sie viele Fälle erlebt, in denen nach einer Trennung Väter aus dem Leben ihrer Kinder verdrängt wurden und den Kindern der Vater fehlte. Dies ist nicht im Interesse der Kinder und sollte daher vermieden werden. Darum war sie sehr erfreut, dass die Resolution 2079 einstimmig angenommen wurde und aus vielen europäischen Staaten ein positives Feedback erhalten hat. Resolutionen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sind rechtlich nicht bindend - sie stellen jedoch einen starken moralischen Appell dar. Die Einführung der Doppelresidenz im Zuge der Cochemer Praxis wird allerdings in Deutschland wohl noch eine Weile auf sich warten lassen.
Einen naturwissenschaftlichen Blick auf das "Kindeswohl" gewährte nachfolgend Prof. Dr. rer nat. Peter Beyerlein, indem er den Anwesenden die Erkenntnisse der Epigenetik näher brachte. Er stellte anschaulich dar, welchen Wert der Kontakt zu beiden leiblichen Eltern hat und dass dieser nicht gleichwertig durch soziale Elternschaft ersetzt werden kann. Es wurde deutlich, dass zukünftig bei der Beurteilung des "Kindeswohls" Erkenntnisse der Epigenetik mit einfließen müssen, da diese eine objektivierbare Größe dieses ansonsten unbestimmten Rechtsbegriffes ermöglichen.
In der abschließenden Diskussionsrunde mit Markus Witt (VAfK), Cornelia Spachtholz (VBM), Martina Krahl (stv. Vorsitzende VAMV), Prof. Beyerlein und Frau Hetto-Gaasch, mit der Politredakteurin Sabine Menkens als Moderatorin, wurde noch einmal deutlich, wie vielfältig die Sichtweisen auf Familien und insbesondere Trennungsfamilien sind und wie klar umrissen dennoch die Schnittmengen sind. In einem Punkt waren sich dann auch alle einig: Vor allem für unsere Kinder brauchen wir schnell vernünftige und entlastende Regelungen, um ihnen ein besseres Aufwachsen in Deutschland zu ermöglichen.
Auch in den Gesprächen am Rande der Veranstaltung wurde deutlich, dass der gemeinsame Weg von Müttern und Vätern in die richtige Richtung führt, nämlich einer "win-win-win" Situation für beide Eltern und ihre Kinder.
Im Rahmen der Veranstaltung wurde auch auf das neue Bündnis doppelresidenz.org hingewiesen, in welchem sich unterschiedliche Organisationen zusammenschließen, um dem gemeinsam angestrebten Leitbild der Doppelresidenz in Deutschland und Europa zum Durchbruch zu verhelfen.
Vorgestellt wurde auch die neue, von VAfK und VBM herausgegebene Broschüre, in der die gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen vorgestellt und praktische Fragen rund um die Doppelresidenz beantwortet werden. Die Broschüre ist online kostenfrei downloadbar (hier). Weitere Informationen zum Projekt sowie eine umfangreiche Literaturdatenbank ist unter www.doppelresidenz.org zu finden.
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