Im vorliegenden Fall geht es um zwei biologische Väter, deren Kinder in eine Ehe hineingeboren wurden. Nach deutschem Recht gilt der Ehemann als Vater. Dieser kann die rechtliche Vaterschaft anerkennen oder verweigern. Leibliche Väter sind rechtlos und gelten lediglich als Erzeuger. Die beiden leiblichen Väter wollten diese Diskriminierung nicht akzeptieren und klagten durch den Instanzenweg deutscher Gerichte bis vor den EGMR.
Zu klären ist die Frage, ob es mit dem Kindeswohl vereinbar ist, dass biologischen Vätern ohne Prüfung des Einzelfalls die rechtliche Vaterschaft verwehrt werden darf. Aus der Adoptionsforschung ist bekannt, dass der Wunsch nach Kenntnis der biologischen Wurzeln und der Herkunft bei den Kindern beträchtlich ist. Nicht wenige Adoptivkinder scheuen im Erwachsenenalter keine Mühen, ihre leiblichen Eltern aufzuspüren. Der Bundesvorsitzende Rainer Sonnenberger dazu: "Kinder erleben diese Wahrheit häufig als den ersten großen Lebensbetrug. Alleine vor diesem Hintergrund entspräche es gerade dem Kindeswohl, von Anfang an dem Kind gegenüber ehrlich zu sein. Deutsches Recht jedoch verhindert dies." Daneben kann die Kenntnis der leiblichen Elternschaft durchaus auch mit praktischen Notwendigkeiten begründet werden, so etwa im medizinischen Bereich.
Man geht davon aus, dass etwa jedes 10. Kind in Deutschland ein Kuckuckskind ist. Seit vielen Jahren haben sich biologische Väter darum bemüht, die Vaterschaft feststellen zu lassen. Die Vereinfachung des Vaterschaftstestes ermöglichte dies mit einer hohen Zuverlässigkeit. Diese scheiterten jedoch oft an der Verweigerung der Zustimmung durch die Mütter. Erst nach obergerichtlichen Entscheidungen im Jahr 2007 wurde dies gesetzlich neu geregelt. Der Väteraufbruch für Kinder kritisierte bereits damals das Gesetz zur Anfechtung der Vaterschaft. Danach hatten Väter mit Zweifeln an der Vaterschaft zwar die Möglichkeit, aus der Vaterschaft „herauszukommen“. Leibliche Väter, die kraft Gesetz keine rechtlichen Väter waren, für ihr Kind jedoch die volle Verantwortung übernehmen wollten, hatten nach wie vor nicht die Möglichkeit, dieses zu erreichen. Ein Vater, der weder Kosten noch Mühen scheut, um seine Vaterrolle wahrnehmen zu können, ist in der Regel ein Vater, der sich um sein Kind sorgen will.
Unsere Gesellschaft hat sich verändert, damit auch die Lebensweisen der Menschen. Ein nichteheliches Kind muss heute in der Regel keine Angst mehr haben, diskriminiert zu werden. Probleme auf der Paarebene lassen sich weniger mit gesetzlich geförderter Verheimlichung als vielmehr mit einem offenen Umgang mit den realen Lebensverhältnissen lösen – und schon gar nicht auf dem Rücken der betroffenen Kinder! Es wird erwartet, dass der EGMR die leibliche und die rechtliche Vaterschaft in Übereinstimmung bringen wird, Väter demnach nicht als Erzeuger ohne Väterrechte diskriminiert werden. Ein Vater ist, wer das Kind gezeugt hat und nicht wer mit der Mutter des Kindes zusammen lebt. Sonnenberger fasst die Erwartungen an das Urteil zusammen: "Nur die leibliche Vaterschaft ist die primäre und deshalb auch gleichrangige Elternschaft, ansonsten würde die Vaterschaft sozial von der Mutterschaft abgeleitet werden. Im europäischen Ausland gilt die Abstammung bereits als ausschlaggebendes Kriterium von Vaterschaft."