Wiederholte Menschenrechtsverletzungen im deutschen Familienrecht – und das Schweigen der Politik

Mehrfach schon wurde Deutschland vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGRM) verurteilt, da das deutsche Familienrechtssys-tem menschenrechtswidrig war und ist. Die letzte Verurteilung war am 15.01.2015. Reaktionen aus der Politik? Bislang keine.

Menschenrechte sind ein hohes Gut und sollten eigentlich von Staat und Verfassung geschützt werden. Im Familienrecht muss sich Deutschland immer wieder den Vorwurf durch den EGMR gefallen lassen, dass das deutsche Familienrechtssystem menschenrechtswidrig ist.

Besonders in den elementaren Bereichen, also dem Umgangs- und Sorgerecht, fehlt seit Jahrzehnten eine aktive Abhilfe der bestehenden Missstände seitens der Politik. Selbst die letzte größere Änderung – dass auch nichteheliche Väter gegen den Willen der Mutter das gemeinsame Sorgerecht erlangen können – erfolgte nicht auf eigene Initiative der deutschen Politik, sondern aufgrund einer Verurteilung durch den EGMR. Die gefundene Lösung stellte auch nur eine Minimallösung dar – das gemeinsame Sorgerecht ab Geburt, wie es in den meisten Staaten Standard ist und vom Väteraufbruch für Kinder seit jeher gefordert wird, wurde nicht umgesetzt.

Eine solche Minimallösung wurde auch nach dem Urteil des EGMR 41599/09 (Kuppinger ./. Deutschland) gewählt. Es wurde seinerzeit gerügt, dass es keinen wirksamen Rechtsbehelf gegen überlange Verfahrensdauern gebe. Eingeführt wurde darauf hin als Minimallösung die Verzögerungsrüge (§198 GVG). Das auch dies kein wirksamer Rechtsbehelf war, was seinerzeit bereits offen kritisiert wurde, hat der EGMR auch prompt gerügt. Erstmals hat ein Vater zwei mal vor dem EGMR Recht bekommen (62198/11 vom 15.01.2015 Kuppinger ./. Deutschland, wir berichteten). Den Kontakt zu seinem Kind konnten die Gerichte nicht wieder herstellen – im Laufe der 10 Jahre ist eine völlige Entfremdung eingetreten, der nun nicht mehr begegnet werden konnte.

Die festgestellte Verletzung von Menschen- und Kinderrechten hat in den letzten 6 Monaten soweit uns bekannt weder in den zuständigen Ministerien noch bei den Fachpolitikern zu Reaktionen geführt. Mehrfach haben wir bei Fachpolitikern um Termine gebeten – ohne Reaktion.

Wir haben daher nun offiziell sowohl das Justiz- als auch das Familienministerium, die Fachpolitiker aus Rechts- und Familienausschuss des Deutschen Bundestages sowie die Parteien anschreiben und um Stellungnahme gebeten, was sie konkret unternehmen werden, um ein modernes, zeitgemäßes und vor allem menschenrechtskonformes Familienrechtssystem zu schaffen.

„Eltern und Kinder müssen endlich auch in Deutschland in einem Familienrechtssystem leben können, dass ihnen effektiven Rechtsschutz und die Sicherheit bietet, dass der Kontakt zwischen Eltern und Kindern erhalten bleibt. Der Fall Kuppinger ist ein trauriges Beispiel dafür, wie mit Hilfe der bisherigen Gesetze eine Entfremdung von Vater und Kind systematisch betrieben werden konnte. Dies erleben wir leider immer wieder in unseren ehrenamtlichen Beratungen von Trennungseltern“ berichtet Markus Witt, Mitglied im Bundesvorstand des Väteraufbruch für Kinder. Einer Entfremdung sollten die Gesetze aber gerade vorbeugen.

Der Väteraufbruch für Kinder setzt sich seit 1988 dafür ein, dass allen Kindern beide Eltern erhalten bleiben. Gefragt ist jetzt aber die Politik, diesen einfachen Grundsatz endlich auch wirkungsvoll ins deutsche Familienrecht zu übertragen. Die Anforderungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sind bereits klar formuliert.