Paradigmenwechsel in der Schweiz

Der Schweizer Nationalrat beschloss am 17. März, dass die alternierende Obhut (in Deutschland als Wechselmodell oder Paritätische Doppelresidenz bekannt) im Falle einer Trennung bzw. Scheidung künftig von den Gerichten bevorzugt zu prüfen ist, um sicher zu stellen, dass den Kindern der Kontakt zu beiden Eltern erhalten bleibt. Deutschland ist neben Österreich eines der wenigen Länder in Europa, die diese Möglichkeit in ihrem Familienrecht noch nicht verankert hat.

Das Zivilgesetzbuch der Schweiz, vergleichbar mit dem deutschen BGB, sieht zukünftig explizit vor, dass im Falle einer Trennung bzw. Scheidung der Eltern bevorzugt zu prüfen ist, ob die Kinder von beiden Eltern abwechselnd und gleichverantwortlich betreut werden können. Nachdem bereits 2014 in der Schweiz die Möglichkeit zur Anordnung der alternierenden Obhut geschaffen wurde, ist man dort zügig den nächsten logischen Schritt gegangen. Wesentlichen Einfluss hatten die internationalen Forschungsergebnisse aus über 40 Jahren und die daraus abgeleitete Erkenntnis, dass der intensive Kontakt von Kindern zu beiden Eltern die Entwicklung der Kinder positiv beeinflusst und ihnen bessere Entwicklungsmöglichkeiten bietet als der überwiegende Aufenthalt bei nur einem Elternteil. 

Man kann der Schweizer Politik zu diesem an der modernen Rollenteilung von Müttern und Vätern und am Kindeswohl orientierten Schritt nur gratulieren. Die deutsche Politik verschließt sich diesem Thema trotz jahrelanger intensiver Bemühungen von Wissenschaft und Verbänden weiterhin hartnäckig und verharrt in veralteten Rollenmodellen. Deutschlandweit finden regelmäßig Veranstaltungen zu dem Thema statt, viele verantwortungsvolle Eltern leben das Wechselmodell bereits einvernehmlich. Das deutsche Familienrecht kennt diese Betreuungsform bisher aber nicht – ebenso wenig wie der neue Familien-Wegweiser des Bundesfamilienministeriums. Änderungen im Familienrecht finden in Deutschland in den letzten Jahrzehnten vorwiegend aufgrund Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) statt – eine Eigeninitiative des deutschen Gesetzgebers, ein modernes und familienfreundliches Rechtssystem zu schaffen, welches vor allem die Kinder entlastet, ist nicht zu erkennen.

„Es ist an der Zeit, dass sich die deutsche Politik ernsthaft und zügig mit dem Thema auseinander setzt, sagt Angela Hoffmeyer, Mitglied im Bundesvorstand des Vereins Väteraufbruch für Kinder e.V. und Leiterin der vereinsübergreifenden Projektgruppe „Paritätische Doppelresidenz“, welche sich seit 2012 intensiv der Förderung dieses kindswohlorientierten Betreuungsmodells widmet. „Die bisherige Verweigerungshaltung ist völlig unverständlich. Die Paritätische Doppelresidenz ist nicht nur die für die Kinder in der Regel am wenigsten belastende Betreuungsform, welche ihnen die besten Entwicklungschancen bietet. Sie löst auch mehrere gesellschaftspolitische Probleme. Beide Eltern bleiben gemeinsam in der Verantwortung für die Kinder – es gibt keine Alleinerziehenden. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird somit für beide Eltern möglich, Lohneinbußen und Rentenlücken von Müttern entstehen erst gar nicht und die Eltern können auf Augenhöhe miteinander für ihre Kinder da sein - gleichberechtigt.“ 

Im Koalitionsvertrag hat sich die amtierende Bundesregierung vorgenommen, aktive Väter zu fördern. Hiervon ist bisher leider noch wenig zu merken. Zum Urteil des EGMR vom 15. Januar, welches das Umgangsrecht von Vätern auch rechtlich besser absichern soll, gibt es bis heute nicht einmal eine Stellungnahme seitens des Justizministeriums. Die Berücksichtigung des Wechselmodells im deutschen Familienrecht wäre ein wichtiges und richtiges Signal. Die seit Jahren ansteigenden Zahlen von gerichtlichen Umgangsverfahren (zuletzt 56.000 pro Jahr lt. Gerichtsstatistik des statistischen Bundesamtes) zeigen, dass immer mehr Eltern auch nach der Trennung aktiv für ihre Kinder da sein wollen.

Ebenfalls im Koalitionsvertrag festgeschrieben steht die eigentlich selbstverständliche Absicht, dass man die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention durch die Weiterentwicklung der Gesetze fördern will. In Art. 18 der UN-KRK ist das Recht der Kinder auf Pflege und Erziehung durch beide Eltern festgeschrieben – das Wechselmodell garantiert dies in bester Weise.

Der Väteraufbruch für Kinder setzt sich mit über 3.500 Mitgliedern seit 1988 dafür ein, dass Kindern nach einer Trennung beide Eltern erhalten bleiben. Unsere Forderung lautet daher, dass die Paritätische Doppelresidenz endlich auch ins deutsche Familienrecht als bevorzugt zu prüfende Option Einzug findet.