Verfahrensdauer: 2 Jahre, Kosten: ca. 11.000 € pro Partei (davon 4.000 € Gutachten), Ergebnis: ein traumatisiertes Kind und zwei psychisch schwer versierte, sowie ein finanziell ruiniertes Elternteil
1. Ich bitte Sie um eine kurze Vorstellung.
Ich bin 41, Chemieingenieur, selbständig im Sondermaschinenbau für die Pharmaindustrie. Vater eines 6-jährigen Jungen aus erster Ehe, den ich zwischen dem 3. und 5. Lebensjahr als Alleinerziehender Vater betreute und einer 6 Monate alten Tochter mit meiner jetzigen Lebensgefährtin.
2. Wie wichtig ist das diesjährige Thema des 11. Familienkongresses?
Ausgesprochen wichtig, für viele Väter und auch Mütter ist die Erfahrung mit psychologischen Gutachtern existentiell.
3. Welche Erwartungen haben Sie an diesen Kongress?
Dass das Thema Gutachter im Familienrecht eine erheblich größere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und Politik erreicht.
4. Warum ist es wichtig, dass sich Väter daran beteiligen?
Weil sie meist durch familiengerichtliches Vorgehen, speziell mit Gutachtern diskriminiert und benachteiligt werden.
5. Wie sieht Ihre jetzige familiäre Situation konkret aus?
Mein Sohn lebt seit März 2011 bei seiner Mutter in Moskau. Durch ein großzügiges Unterhaltsangebot kann ich ihn regelmäßig sehen, ich habe durchsetzen können, dass er sämtliche Schulferien bei mir verbringen kann.
Inzwischen fliegt er alleine zu mir nach Hamburg.
6. Welche Erfahrungen haben Sie mit Gutachtern und Gutachten in Ihrem familienrechtlichen Verfahren gemacht?
Ausschließlich negative. Unabhängig von meinem subjektivem Empfinden, das wohl auch dem Empfinden jedes gesunden Menschenverstandes entgegenläuft, wurde das vorgelegte Gutachten von zwei Gegengutachtern jeweils als "willkürlich", "vollkommen unwissenschaftlich" und somit unbrauchbar eingestuft.
Die gerichtlichen Beschlüsse wurden jeweils nur auf das Gutachten gestützt, eine richterliche Eigenleistung ist dabei nicht erkennbar. Eine Überprüfung des Gutachtens wurde -trotz aller gegenläufigen Stellungsnahmen blockiert.
Keiner der Instanzen hielt es für notwendig meinen Sohn persönlich anzuhören bevor sie ihn nach Russland schickten, obwohl der Verfahrenspfleger deutlich machte, dass mein Sohn sich sehr klar über die Lebenssituation artikulieren könnte.
7. Welchen Einfluss hat das Gutachten auf die heutige Lebenssituation Ihrer Kinder und auf Sie?
Das Gutachten empfahl ohne Nennung einer einzigen Alternativen, die ohne Zweifel vorhanden waren, meinen Sohn aus seinem Leben in Deutschland, seiner Umgebung, seinen Freunden und seiner Kita zu reißen, um ihn zu seiner Mutter nach Moskau zu schicken, in eine vollkommen ungeprüfte Lebenssituation. Er hatte bis dahin 2 Jahre mit mir gewohnt und war fest mit seiner Umgebung verwurzelt.
Mit finanzieller Unterstützung durch mich, flog die Mutter regelmäßig alle 4-6 Wochen zu Besuch nach Deutschland, an dieses Modell hatte mein Sohn sich längst gewöhnt.
Der Mutter hatte ich mehrfach über das Gericht angeboten, eine Wohnung und Unterhalt zu bezahlen, damit unser Sohn beide Eltern in seiner Nähe hat. Auch der Verfahrenspfleger hat sich eindeutig für diese Lösung in seinem Abschlussbericht ausgesprochen. Die Mutter hatte dieses, ohne jegliche Konsequenzen, immer wieder abgelehnt.
Mein Sohn ist vom Ausgang des familiengerichtlichen Prozesses nachhaltig traumatisiert. Bis heute, 1,5 Jahre nachdem er - unterstützt durch das Familiengericht - hinter meinem Rücken aus der Kita geholt und nach Moskau gebracht wurde, bittet er mich bei jedem Besuch ihn in Deutschland zu behalten. Er wollte nie in Moskau leben (unabhängig davon natürlich, dass er beide Elternteile gleichermaßen liebt) und will es bis heute nicht.
Seine Mutter sieht inzwischen mehr und mehr ein, dass ihr Weg der falsche war, sie ist zunehmend mit der jetzigen Situation überlastet und hat sich selbst gewundert, dass das Gutachten eine solche Empfehlung abgab. Ein Beratung durch einen erfahrenen Mediator hätte sie wahrscheinlich von einer anderen Lösung überzeugen können.
8. Was erwarten Sie von einem fairem Gutachten?
Es wird in jetziger Konstellation kein faires Gutachten geben, das Gutachten im Familienrecht ist selbst das Problem. Es ist ein Werkzeug geworden für inkompetente, ungeeignete , vielleicht auch manchmal überarbeitete Familienrichter, die ihre eigene Verantwortung auf die Gutachter übertragen um letztendlich ihren Beschluss darauf stützen zu können.
Während jeder Kfz-Gutachter seine Qualifikation nachweisen muss und für falsch erstellte Gutachten zur Verantwortung gezogen werden kann, kann quasi jeder - sogar mit nur fachähnlicher Qualifikation - Gutachter werden. Die Standards zur Erstellung von Gutachten wurden z.B. von Prof. Wolfgang Klenner schon vor Jahren detailliert beschrieben, bis heute finden sie aber kaum Anwendung vor Gericht.
Da die zum Teil beträchtlichen Kosten der Gutachten (5-15.000,00 EUR) von den Eltern getragen werden müssen, selbst wenn das Gutachten später als vollkommen unbrauchbar eingestuft wird, entsteht eine unheilige Allianz zwischen Richtern und Gutachtern
Eine Basis für ein Leben nach der Scheidung/Trennung kann nur durch einen erfahrenen Mediator im Sinne des/der Kinder hergestellt werden. Ein Familiengericht darf hier nur der letzte Ausweg sein, die Justiz bietet kaum Kompetenz für eine nachhaltige einvernehmliche Regelung zwischen Ex-Partnern, sondern verhindert diese im schlimmsten Falle und türmt lieber Aktenordner über Aktenordner, um sich dann später über die enorme Verfahrenslänge zu wundern.
Die ungeordnete, für alle Betroffenen neue und schwierige Situation nach einer Trennung kann und muss durch Einsatz eines einvernehmlichen Beziehungsmodells geregelt werden. Aus der Praxis ist mir vor allem der pragmatische Ansatz von Prof. Jopt bekannt, der - konsequent umgesetzt - ausgesprochen lebensnah ist und vielfach zum Ziel führen sollte.
Der Einsatz von Mediatoren ist ja schon heute in der Praxis möglich, wird aber nicht genug genutzt. Nach gängiger Praxis darf der Inhalt einer gescheiterten Mediation nicht einmal in einem folgenden familiengerichtlichen Prozess genutzt werden, was an sich schon vollkommen kontraproduktiv ist.
9. Was ist wichtig für das Kindeswohl ?
1. Der Zeitfaktor: Die schnellstmögliche Umgangsregelung für die Kinder mit beiden Elternteilen (Jedes Kind liebt und braucht beide Eltern). Entfremdung (Parental Alienation) ist immer noch der beste Verbündete blockierender Elternteile
2. Das Unterbinden von Grabenkriegen zwischen den Elternteilen, dabei sind vor allem die Anwälte gefordert.
3. Neutrale Verfahrensbeteiligte, persönlich empfand ich den Einsatz des Verfahrenspflegers als überaus sinnvoll. Jedoch endet die Effektivität, wenn seine Beauftragung von der Gunst der Richter abhängt. (unbequeme Verfahrenspfleger werden nicht wieder bestellt). Vielmehr sollten sich die Eltern auf einen Verfahrenspfleger einigen können, dessen Stimme dann entsprechendes Gewicht hätte
4. Es wird nicht in allen Fällen möglich sein. Priorität muss haben dass die Eltern, welche sich in einer emotionalen Ausnahmesituation befinden, wieder an einen Tisch zu bringen und Ihnen Unterstützung im Umgang mit der neuen Situation zu geben und Ihnen klar zu machen, dass ein Kind kein Spielball zwischen Ihnen sein darf.
Ich danke Ihnen für das Gespräch.