1.Ich bitte Sie um eine kurze Vorstellung.
Ich bin 40 Jahre alt, gelernter Dipl.-Bauingenieur und seit 2002 bei der Deutschen Bahn beschäftigt. Ich bin Vater von 4 leiblichen Kindern, 3 Jungs aus erster Ehe im Alter von 11, 12 und 15 Jahren und einer einjährigen Tochter mit meiner jetzigen Frau. In unserem Haushalt leben ihre eigenen 4 Kinder im Alter von 11, 12, 14 und 15 Jahren, mein ältester eigener Sohn (15J.) und unsere gemeinsame einjährige Tochter. Meine 2 jüngeren Söhne leben bei der Mutter, 450 km entfernt von uns. Ich übe das Sorgerecht für alle meine leiblichen Kinder gemeinsam mit der Mutter der Kinder aus, meine jetzige Frau hat alleiniges Sorgerecht für ihre 4 eigenen Kinder. Der Vater hat das Sorgerecht in diesem Jahr freiwillig abgegeben, damit sich die Mutter selbständig um die Belange ihrer Kinder kümmern kann.
2.Wie wichtig ist das diesjährige Thema des 11. Familienkongresses?
Für mich selber kommt das Thema zwar zu spät, es ist aber auf jeden Fall sehr wichtig, dass bei der Erstellung von familienpsychologischen Gutachten ein Standard eingehalten werden muss, der es unabhängig von der Gerichtsverhandlung erlaubt, das Gutachten prüfen zu lassen, bevor anhand des Gutachtens ein Beschluss bei Gericht gefasst wird.
Ebenso wichtig ist es auch für das Gericht, schon bei der Erarbeitung der Fragestellung für das zu erstellende Gutachten gewisse Normen einzuhalten.
Meines Erachtens fehlt dem Gericht die Zeit, ein Gutachten Wort für Wort zu lesen, weshalb es letztendlich vor Gericht eher um die zusammenfassende Einschätzung des Gutachters gehen wird, anhand welcher das Verfahren entschieden wird.
Deswegen finde ich es wichtig, ein Gutachten vorher unabhängig prüfen lassen zu können.
3.Welche Erwartungen haben Sie an diesen Kongress?
Ich erwarte von dem Kongress, dass durch die vielen Erfahrungen betroffener Elternteile mit Gutachten ein System zu erkennen ist, in welcher Richtung unbedingt auf Standards für Gutachten hinzuarbeiten ist. Andererseits hoffe ich, dass mit der Erfahrung der Mitglieder des VAfK und deren vernetzter Fachleute Vorschläge für derartige Standards erarbeitet und den Entscheidungsträgern vorgelegt werden können. Mich hat nach meinen beiden Verfahren das Lesen zum Beispiel der "Richtlinien für die Erstellung psychologischer Gutachten" davon überzeugt, dass ich hier unbedingt mitarbeiten möchte, damit in der Zukunft weniger Willkür in Gutachten möglich ist. Diese Mitarbeit verspreche ich mir auf diesem Kongress.
4. Warum ist es wichtig, dass sich Väter daran beteiligen?
Väter, aber auch Mütter und Großeltern sollten generell wissen, was alles passieren kann, wenn durch eine Trennung um die Kinder gestritten wird. Jedem Betroffenen hilft allein der Austausch mit Menschen, die sich mit dem selben Thema auseinander setzen. Ich denke, niemand hat vorher soviel Erfahrung, dass er vor Gericht sofort versteht, welche Institutionen sich jetzt alle damit beschäftigen werden, das Wohl seines Kindes einschätzen zu wollen. Die Meinung, Kinder gehören zur Mutter, ist nach wie vor dominant, teilweise berechtigt, teilweise aber auch an den Haaren herbeigezogen. Alle Eltern, alle Großeltern, denen der Umgang mit ihren Kindern und Enkeln wichtig ist, sollten die Möglichkeit, die der jährliche Familienkongress bietet, nutzen, mitzuarbeiten, dass in Zukunft jedes Gericht und jeder vom Gericht bestellte Sachverständige bei seiner Arbeit von Anfang an davon ausgeht, dass Mutter und Vater gleichberechtigte Elternteile sind. Dafür ist ein Umdenken nötig, die Abänderung von Gesetzen und nicht zuletzt die Eingrenzung der Möglichkeiten bei der Erstellung von Gutachten.
5. Wie sieht Ihre jetzige familiäre Situation konkret aus?
Seit knapp 2 Jahren lebe ich endlich mit meiner Zweitfamilie unter einem Dach. Die Jahre davor waren durch das offene 2. Verfahren und langwierige Begutachtung für uns sehr schwierig, weil wir nicht abschätzen konnten, welche finanzielle Auswirkung die Entscheidung für uns haben wird. Deswegen lebten wir in 2 Mietwohnungen in einem Mietshaus mehr oder weniger gut miteinander, ich mit meinen damals noch 2 bei mir lebenden Jungs und meine jetzige Frau mit ihren 4 Kindern. Schon unsere außergewöhnlich große "Familie" und die ungewöhnliche Wohnsituation machte uns im Begutachtungsprozess das Leben schwer, wodurch sowohl für die Gutachterin als auch die Richterin der Vorteil klar bei der Mutter lag. Mein ältester Sohn hatte sich dafür entschieden, bei uns wohnen zu bleiben. Die jahrelangen Kämpfe haben uns sehr zusammengeschweißt - die Kehrseite ist aber, dass seitdem auch der gefühlte Abstand zu meinen beiden nicht mehr bei uns lebenden Kindern immer größer wird. Finanziell komme ich durch die Unterhaltszahlung für die 2 nicht bei uns lebenden Kinder mit meiner Zweitfamilie nicht ohne staatliche Zuschüsse aus. Für den bei mir lebenden Sohn zahlt die Mutter nichts. Mein Versuch über das Jugendamt die Leistungsfähigkeit der Mutter überprüfen zu lassen, wurde ohne große Bemühungen der Sachbearbeiterin abgetan als aussichtslos. Meine Frau bekommt vom Vater ihrer 4 Kinder auch keinen Unterhalt.
Meinem ältesten Sohn ist anzumerken, dass er hin und her gerissen ist. Ihm werden von seiner Mutter ständig die Vorteile vom Umziehen zu Ihr geschildert, auch, indem die Mutter unsere Familie schlecht redet. Trotzdem rudern wir uns allmählich frei. Es kehrt Alltag ein, wenn auch ein Alltag ohne meine 2 kleinen Jungs.
6. Welche Erfahrungen haben Sie mit Gutachtern und Gutachten in Ihrem familienrechtlichen Verfahren gemacht?
Ich habe nun schon 2 Verfahren hinter mir mit jeweils einer Begutachtung. Die Fragestellung vom Gericht empfand ich in beiden Fällen als sehr neutral und loyal. Hier war keine Diskriminierung zu erkennen. Das erste Gutachten drückte die Beobachtungen aus, die ich aus meiner Ehezeit auch so kennengelernt hatte. Das Gutachten hatte empfohlen, dass die Mutter allein umziehen soll und die 3 Kinder bei mir bleiben sollen. Eine Geschwistertrennung war vorgeschlagen, sodass der jüngste Sohn bei der Mutter hätte bleiben können. Die Mutter lehnte das während der Begutachtung ab, lenkte nach Vorlage des Gutachtens doch ein und stimmte der Geschwistertrennung zu. So einigten wir uns vor Gericht darauf. Kaum war das Verfahren beendet (2007), die Mutter 450 km weggezogen, begann auch schon der Kampf der Mutter um die restlichen 2 Kinder, besonders um den Kleinen. Es folgten Anwaltsschreiben, die belegen sollten, wie schlecht es dem Kind bei mir geht, obwohl das erste Gutachten, die Verfahrenspflegerin, das Jugendamt sowie jegliches soziale Umfeld belegt hatten und weiterhin belegen konnten, dass bei uns alles intakt ist. Termine beim Jugendamt folgten und letztendlich das Verfahren zur Abänderung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes. Diesmal ließ die Mutter nichts anbrennen. Sie schlug dem Gericht eine Gutachterin vor. Ich hatte gerade Pech mit meinem bisherigen Anwalt, der sich zur Ruhe setzte und hatte Mühe, Ersatz zu finden. Mir fehlte ein schlagkräftiger Berater. In dieser Phase startete die Begutachtung, die von Anfang an die blanke Katastrophe war. Schon vom ersten Gespräch an spürte ich die Abneigung, die die Sachverständige mir gegenüber (als Vater) hatte. Letztendlich erstarrte ich, als ich das Gutachten las. Ich war vom gleichwertigen Vater (1.Gutachten) zu einem paranoiden Gewalttäter (2.Gutachten) mutiert! Trotz dieser Begutachtung wurde gewährt, dass mein ältester Sohn weiter bei mir leben durfte! Nur mein Kleiner, der auch so schon auf privater Ebene massiv von seiner Mutter, deren Lebensgefährten und seinem dort lebenden Bruder bearbeitet wurde, sollte nun von uns wegziehen. Vor Gericht wurde das Gutachten zwar kaum erwähnt, weil es selbst der Richterin peinlich war, die ja auch schon das erste Gutachten bestellt hatte. Es hat aber trotzdem den ausschlaggebenden Impuls geliefert, der die Entscheidung stellte.
In der Einleitung des 2.Gutachtens wurde behauptet, dass es sich streng an den "Richtlinien für die Erstellung psychologischer Gutachten" orientiert. Ich kannte diese Richtlinien damals nicht, meine Anwältin anscheinend auch nicht. Erst lange Zeit nach der Verhandlung habe ich mich wieder damit beschäftigt und festgestellt, dass ich sehr viele Mängelpunkte gefunden hätte, die das Gutachten als unbrauchbar deklariert hätten.
7. Welchen Einfluss hat das Gutachten auf die heutige Lebenssituation Ihrer Kinder und auf Sie?
An meinem Verhalten als Vater hat sich kaum etwas verändert, ich bin etwas misstrauischer geworden, ansonsten schätze ich mich als ganz normalen liebevollen Familienvater ein. Ansonsten habe ich 2 eigene Söhne verloren, die ich die ersten Lebensjahre im Alltag begleitet und betreut habe. Jetzt freue ich mich, wenn ich sie mal ans Telefon bekomme und vielleicht 4-5 Mal im Jahr sehe. Die Entfremdung hat längst begonnen und ist noch nicht am Tiefpunkt angekommen... Besonders das zweite Gutachten hat viel von der Mutter behauptet, was sie jetzt keinesfalls einhält. Die so geschätzte Bindungstoleranz ist vollkommen erloschen. Ich sehe mich gezwungen, anwaltlich Umgangsregelungen einzufordern, weil es keine Kommunikation mehr zwischen der Mutter und mir gibt. Trotz des bestehenden Vergleiches bemüht sich die Mutter sehr darum, mich vor unseren Kindern als schlechten Vater darzustellen. Das betreibt sie auch mit Anwälten und beim Jugendamt. Informationen über Gesundheit und Schule werden ihrerseits zurückgehalten, dafür lieber Mails mit Vorwürfen und Schlechtmacherei geschrieben. Alles deutet darauf hin, dass eines Tages noch der Aufenthalt des letzten meiner 3 großen Söhne überprüft werden müsste. Finanziell erlaubt uns die Veränderung durch das Gutachten keine großen Sprünge. Unsere Wohnung bietet kaum Platz für uns alle. Die Besuche meiner zwei Jungs stellen uns immer wieder vor eine große logistische Aufgabe.
Sollte es eine Möglichkeit geben, meine Gutachten im Nachhinein überprüfen zu lassen, werde ich das auf jeden Fall tun, einfach um diese am Ende stehengebliebene Persönlichkeitsdarstellung zu revidieren und damit mit dem Gutachten abzuschließen.
8. Was erwarten Sie von einem fairem Gutachten?
Ein faires Gutachten geht meines Erachtens von Anfang an davon aus, dass Väter ebenso gut für die Erziehung und Betreuung ihres Kindes geeignet sind wie Mütter. Nur mit dieser Grundausrichtung des Sachverständigen und des beauftragenden Richters ist eine gesunde Begutachtung möglich, sind Fragestellung des Sachverständigen möglich, die nicht schon in eine diskriminierende Richtung zielen.
Prinzipiell wünsche ich mir, dass es nicht die Entscheidung eines der beiden Elternteile sein kann, ob und wie viel das Kind Umgang mit dem anderen Elternteil haben sollte oder nicht. Nur tatsächliche Gefahr für das Kind darf ein Grund dafür sein, Umgang zu verhindern. Das soll Aufgabe des Gutachters sein, diese Gefährdung aufzudecken. Der Umgang für beide Elternteile sollte genauso selbstverständlich sein, wie das Teilen der Unterhaltsaufwendungen. Wie wäre es mit einer direkten Koppelung des Umgangs an den Unterhalt?